Page 26 - BDL Jahresbericht 2010
P. 26

Ungerechtfertigte Verzinsung
bereitet Probleme bei der Umsatzsteuer
Umsatzsteuerliche Themen nehmen seit einigen Jahren in der Arbeit des Bilanz- und Steuerausschusses immer größeren Raum ein. Dabei geht es meist um Probleme, die in den Betriebsprüfungen der Mitgliedsgesellschaf- ten zutage treten. Schwierigkeiten sind immer dann programmiert, wenn eine seit langem praktizierte steuerliche Vorgehensweise rückwirkend beanstandet wird. Dadurch werden die betroffenen Unternehmen mit erheblichem Korrekturbedarf und – was noch schwerer wiegt – mit wirtschaftlich ungerechtfertigten Verzinsungsforderungen konfrontiert.
Paradebeispiel nachträglicher Bestelleintritt
Besonders augenfällig zeigt sich die Problematik am Beispiel des sogenannten nachträglichen Bestellein- tritts: In der Leasing-Praxis ist es in der Vergangenheit nicht selten vorgekommen, dass Leasing-Unterneh- men erst zu einem Zeitpunkt in die Bestellung ihrer Kunden eingetreten sind, wenn die physische Liefe- rung des Leasing-Objekts vom Lieferanten an den Kunden bereits erfolgt war. Da das Leasing-Unterneh- men keinen Ein uss auf den Liefertermin hat, lässt sich oftmals nicht vermeiden, dass sich der Vorgang der Vertragsannahme und des Bestelleintritts mit der Auslieferung des Objekts zeitlich überschneidet. Für den wirtschaftlichen Gehalt der Transaktion ist es indessen irrelevant, ob der Bestelleintritt zeitlich vor oder nach der Lieferung erfolgt.
Die Leasing-Unternehmen haben konsequenterweise umsatzsteuerlich nicht nach dem Zeitpunkt des Bestell- eintritts unterschieden und sind auch bei nachträgli- chem Bestelleintritt von einer Lieferung des Lieferanten an das Leasing-Unternehmen ausgegangen. Dem lag die Rechtsauffassung zugrunde, dass eine gegebenen- falls bereits vom Lieferanten an den Kunden erfolgte
umsatzsteuerliche Lieferung im Zuge des (nachträgli- chen) Bestelleintritts rückgängig gemacht und durch eine Lieferung vom Lieferanten an das Leasing-Unter- nehmen ersetzt würde. Dies entsprach dem wirtschaft- lich zwischen allen Beteiligten Gewollten und dem nach Außen für alle erkennbar Vollzogenen. Auch die Finanzverwaltung hatte diese Praxis über Jahrzehnte hinweg in Betriebsprüfungen akzeptiert.
Für die Leasing-Branche unerwartet begann die Bun- desbetriebsprüfung dann jedoch damit, Fälle mit nach- träglichem Bestelleintritt zu beanstanden. In der Folge wurde die Thematik den obersten Finanzbehörden
des Bundes und der Länder zur Erörterung vorgelegt. Diese gelangten 2009 zu der Beurteilung, dass in den fraglichen Fällen stets eine umsatzsteuerliche Lieferung des Lieferanten an den Kunden vorliege, die durch
den Abschluss eines Leasing- oder Mietkaufvertrags mit Bestelleintritt des Leasing-Unternehmens nicht rückgängig gemacht werde. Im Verhältnis zwischen Leasing-Unternehmen und Kunde liege dann ein Sale- and-Lease- bzw. Sale-and-Mietkauf-back-Geschäft vor.
Drohender Zinsschaden in dreistelliger Millionenhöhe
Besonders fatal an der neuen Auffassung der Finanz- verwaltung war, dass sie zunächst ohne Übergangsre- gelung rückwirkend angewendet werden sollte und bei allen drei beteiligten Parteien – dem Leasing-Unterneh- men, dem Kunden und dem Lieferanten – zu Korrektur- bedarf und der Entstehung von Nachforderungszinsen geführt hätte. Nach ersten vorsichtigen Schätzungen hätte sich allein der Zinsschaden für die betroffenen Unternehmen in einer Größenordnung von 250 Mio. Euro bewegt. Hinzu kämen die administrativen Kosten für die Abwicklung der geforderten Berichtigungen.
26 | Die Rahmenbedingungen


































































































   24   25   26   27   28