Page 45 - BDL Jahresbericht 2015
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Tatsächlich hat die Right-of-Use-Bilanzie- rung das Thema Klassifizierung lediglich auf eine andere Ebene verlagert. Anstelle Operating und Finance Leases zu unter- scheiden, müssen zukünftig Leases und leasingähnliche Dienstleistungen ausein- andergehalten werden. Letztere bleiben als schwebende Geschäfte weiterhin off balance. Die Gestaltungsanfälligkeit des IAS 17 wird nach Auffassung von Heinz- Hermann Hellen ohnehin von den Boards überschätzt: „Ein angestrebtes Bilanzie- rungsergebnis kann ich nur erreichen, wenn die zugrunde liegende Transaktion auch eine entsprechende Verteilung der Chancen und Risiken aufweist. Hinter den damit verbundenen wirtschaftlichen Aus- wirkungen treten bilanzielle Erwägungen regelmäßig in den Hintergrund.“
Bereitstellung relevanter und verlässli- cher Informationen: Die Boards strebten mit ihrem Konzept ein vollständigeres Bilanzbild an, das alle Vermögensgegen- stände und vor allem alle Verbindlichkei- ten des Unternehmens umfassen soll.
Tatsächlich waren Bilanznutzer schon immer in der Lage, sich durch die Auswertung der erweiterten Jahresabschlussinformationen ein umfassendes Bild von den Nutzenpoten- zialen und Verp ichtungen einer Leasing- Transaktion zu verschaffen. Auch in Zukunft – das haben Stellungnahmen der Analysten und Investoren gezeigt – wird man nicht auf vertiefende Analysen der Bilanzangaben ver- zichten können. Die Right-of-Use-Bilanzierung liefert mitunter trügerische Informationen, beispielsweise wenn bei einer Anmietung von Gewerbe ächen systematisch ein von Jahr zu Jahr abnehmender Gesamtaufwand ausgewiesen wird. Viele Analysten unter- stellen, dass Leasing-Nehmer ihren fortwäh- renden Bedarf an Investitionsgütern immer wieder durch revolvierende Erneuerung aus- laufender Leasing-Verträge decken werden. Die schon bisher übliche Ermittlung der mit dieser Erneuerungsprämisse verbundenen Gesamtverp ichtungen durch Anwendung einschlägiger Multiplikatoren wird durch den neuen Standard sogar erschwert.
Konvergenz zwischen IFRS und US-GAAP:
Obwohl schon bisher die Leasing-Bilan- zierung sowohl nach IFRS als auch nach US-GAAP den gleichen Grundprinzipien folgt, wollten die Boards mit ihrem Gemein- schaftsprojekt die Konvergenz der beiden Rechnungslegungssysteme in diesem Punkt verbessern.
Tatsächlich haben sich IASB und FASB im Laufe des Projekts immer weiter ausein- anderbewegt. Schließlich konnte man sich selbst in konzeptionellen Grundsatzfragen nicht mehr auf eine gemeinsame Lösung einigen. Besonders augenfällig zeigt sich dies bei der zentralen Frage der Folgebe- wertung der Right-of-Use-Vermögensgegen- stände und -Verbindlichkeiten. Das FASB unterscheidet im Rahmen eines „dualen Modells“ unter Verwendung der bisherigen Kriterien weiterhin zwischen Operating und Finance Leases und versucht zumindest die Aufwandserfassung dem unterschiedlichen wirtschaftlichen Gehalt der beiden Katego- rien anzupassen. Das IASB hingegen negiert jegliche ökonomischen Unterschiede und behandelt im Rahmen eines Einheitsmo- dells alle Miet- und Leasing-Transaktionen wie kredit nanzierte Kaufgeschäfte. Somit haben sich die konzeptionellen Unterschiede zwischen IFRS und US-GAAP eher vergrößert als reduziert.
Kosten-Nutzen-Relation: Zu den selbstge- setzten Zielvorgaben der Boards gehörte auch ein ausgewogenes Verhältnis zwi- schen den Kosten für die Bilanzersteller und dem Nutzen durch verbesserte Finanz- informationen.
Tatsächlich steht das Missverhältnis von Kosten und Nutzen noch immer im Mittel- punkt der Kritik der Fachwelt. Wenngleich im Laufe des Projekts erzielte Fortschritte durchaus anzuerkennen sind, bleibt es bei der Grundkomplexität der Right-of-Use-Bi- lanzierung. Den Bilanzerstellern wird erheb- licher Mehraufwand für die Identi kation, Erfassung, Beurteilung, Erst- und Folgebe- wertung sowie die laufende Überwachung unzähliger Transaktionen aufgebürdet. Dem steht ein mehr als zweifelhafter Informa-
tionsnutzen gegenüber. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass sich große Teile der Fachwelt anstelle des neuen Standards nach wie vor für eine Beibehaltung des IAS 17, gegebenenfalls ergänzt um zusätzli- che Anhangangaben, aussprechen.
Am Ende des Weges angekommen
– Ziel verfehlt
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Boards zwar wohl am Ende ihres We- ges angekommen sind, jedoch das Ziel deutlich verfehlt haben. Dazu noch einmal Heinz-Hermann Hellen: „Der neue Leasing- Standard bedeutet sicherlich nicht den Un- tergang des Abendlandes. In Deutschland sind nur wenige große Unternehmen als IFRS-Bilanzierer überhaupt betroffen. Mit Unterstützung der Leasing-Geber wird man sich auf die zusätzlichen Bilanzierungsanfor- derungen einstellen können. Es ist jedoch ärgerlich, dass die Boards gegen alle Wider- stände einen Standard durchboxen, den am Ende kaum jemand gut heißt und der kei- nerlei Fortschritt gegenüber dem zu Unrecht gescholtenen IAS 17 bringt.“ a
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